Ich bin ein ganz und gar ungeduldiger Mensch:
Ich pissel nur ungern Feines zusammen. Filigran
is’ gar nix
für mich, Klebe- und Schnippel-Meditation brauche ich nicht.
Die wirkt bei mir kontraproduktiv.
Allerdings – Obacht! Wenn es darum geht, jemandem eine Freude
zu machen, dreht sich die Welt um 180 Grad und ich erfahre wahre
Produktionsschübe. Selbst ich bekomme dann einen
Bastel-Anfall. „Anfall“ ist genau das richtige
Wort. „Anfall“ beschreibt hier einen
nicht
kontrollierten Ausbruch von fehlgesteuerter Kreativität,
unberechenbar und zum größten Teil absolut
überflüssig. So etwas müsste
eigentlich
behandelt werden.
„Schub“ wird u.a. in einem
medizinischen Kontext verwendet und verheißt nichts Gutes. Er
bedeutet: Ich bin krank, zumindest manchmal. Ich stelle hier sogar die
Behauptung auf: Bei allen Bastelwütigen stimmt was nicht.
Bastelschübe sind eine wirklich ernste Sache!
Lieber
Bastelfreund, kurze Nachfrage: Was liegt denn da im Argen bei dir?! Wo
GENAU ist das Problem?
Solltest
du etwas Schönes, Individuelles schenken
mögen, solltest du noch unsteter sein als ich, noch weniger
meditationsaffin oder einfach nur mindestens zwei linke Daumen haben,
dann liefere mir die Legitimation, kurzzeitig krank sein zu
dürfen. Frag mich! Vielleicht bin ich ja gerade auf Reha,
zwangsruhiggestellt, sitze im Garten, bestaune die Rosen und lausche
den Vögeln; vielleicht habe ich gerade ansonsten
tatsächlich NIX Besseres zu tun als Umschläge,
Tüten, Karten, Buchecken, Weihnachtskugeln für dich
zu basteln – dann natürlich immer mit dem Argument,
dass es für dich, nicht für mich, ist und ich so ja
auch Geld verdiene.
Du darfst den Beschenkten auch erzählen, dass
du selbst
gebastelt hast – wäre auch sick, würde aber
von
meiner Versehrtheit ablenken.
Fotos (von links nach rechts in Zeilen): 1 © Rouven Zink; 2, 3
© Judith Tüch; 4
© Rouven Zink; 5
© Janine Rahn, 6
© Judith Tüch